Bahnhof Oekoven; Teil 4

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Postanschrift: Feld- und Werksbahn Museum e. V. z.Hd. Günter Krall, Zur Werksbahn 1, 41569 Rommerskirchen  
Postanschrift: Feld- und Werksbahn Museum e. V. z.Hd. Günter Krall, Zur Werksbahn 1, 41569 Rommerskirchen  
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Der Personenverkehr
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Wollte man früher von Oekoven aus mit der Eisenbahn verreisen, kam man ohne umzusteigen nicht allzuweit. Das lag daran, daß hier nur Personenzüge der untersten Kategorie hielten. Solche Züge werden im allgemeinen Volksmund, auch heute noch, als Bummelzüge bezeichnet, obwohl sie die Amtssprache Nahverkehrszüge nannte. Man konnte durchgehend nur bis nach Köln oder Mönchengladbach beziehungsweise Kaldenkirchen fahren. Schnellfahrende Eilzüge oder sogar D-Züge hielten nie in Oekoven. Zumindest konnte sich Oekoven rühmen, wenigstens an der Strecke des zwischen 1951 und 1962 hier verkehrenden hochrangigen Renommierzug (F 163/164 "Rheingold") der DB zu liegen. Dennoch: Bis in die 30iger Jahre war Oekoven sogar Zugbildungsbahnhof für einzelne Personenzüge.
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In den ersten Jahren entwickelte sich der Zugbetrieb sehr schnell. Dieser Entwicklung trug man durch den zweigleisigen Ausbau der Strecke Rechnung. Bis zum Ersten Weltkrieg hielten in Oekoven täglich zwischen sechs und acht Zugpaare. Sie führten alle die erste bis vierte Wagenklasse. Am 26.April 1913 setzt das Bürgermeisteramt zu Widdeshoven ein Schreiben an die Eisenbahndirektion Cöln mit der Bitte, den in Rommerskirchen endenden Triebwagen bis nach Oekoven durchzuführen. Der lange Aufenthalt im Nachbarbahnhof erlaube die Fahrt bis nach Oekoven und man erhoffe sich wegen der günstigen Zeit eine sehr gute Benutzung, durch die Bevölkerung für Fahrten nach Köln. Am 12. August 1913 teilte die Eisenbahndirektion mit, daß, dem Wunsche entsprochen wird und der Triebwagen zum Fahrplanwechsel ab dem 1. Oktober 1913 von Köln-Ehrenfeld aus bis nach Oekoven durchgeführt wird. Der Fahrplan war wie folgt:
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T 1507 an Oekoven 8.20 Uhr, T 1508 ab Oekoven 8.46 Uhr.
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Diese Zugverbindung bestand auch noch 1916. Nun begann beziehungsweise endete der Zug aber in Köln Hbf. Die geänderten Fahrzeiten sind dem nachfolgend abgebildeten Kursbuchauszug zu entnehmen. Das Zugpaar war aus den damals modernen, preußischen Speichertriebwagen (= Akkutriebwagen: elektrischer Triebwagen mit Batterieantrieb) gebildet. Im Februar 1909 war in Köln eine Batterieladestation eingerichtet worden. Dort waren drei Speichertriebwagen beheimatet, welche die Bezeichnung:
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273/274 Cöln ab 1910 325/326
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275/276 Cöln ab 1910 327/328
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277/278 Cöln ab 1910 329/330
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trugen. Alle Triebwagen waren zweiteilig. Die Kölner Ladestation für die Batterien, welche den Triebwagen eine Reichweite von 100 Kilometern ermöglichte, wurde aber schon während des Ersten Weltkrieges wieder stillgelegt. Damit endete im Fahrplan von 1917 auch diese interessante Personenzugleistung nach Oekoven. Anzumerken ist noch, daß die Akkumulatortriebwagen die Wagenklasse 2. bis 4. führten. So lautete auch die Angabe im Kursbuch. Die Arbeiter der Brikettfabrik Neurath waren nun wieder auf durchgehende Personenzüge angewiesen.
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Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein Zugpaar von Mönchengladbach aus eingesetzt, welches in Oekoven wendete. Diese Verbindung war im Kursbuch von 1924 mit den Daten, Ankunft in Oekoven um 13.23 Uhr, Rückfahrt von dort um 14.41 Uhr, gekennzeichnet. Dieses Zugangebot bestand aber nur werktags. Seit 1925 änderten sich die Zeiten folgendermaßen: Ankunft 14.27 Uhr, Abfahrt 15.00 Uhr. Gleichzeitig wurde diese Rückleistung als Vorzug 597 von Köln nach Mönchengladbach erbracht. Der eigentliche "597" verkehrte dagegen erst 25 Minuten später. Durch diesen Vorzug ging man speziell auf den Schichtwechsel bei der Brikettfabik Neurath ein, so daß den dort Beschäftigten eine attraktive Verbindung zur Verfügung stand. Daß dieses Angebot auch tatsächlich angenommen wurde, geht aus dem Fahrplan von 1931 hervor. Darin ist dieses Zugpaar, abgesehen von der auf 14.23 Uhr vorverlegten Ankunftszeit, unverändert ausgeschrieben. Erst nach amtlichen Unterlagen ab 1939 fehlte diese Verbindung. Damit endete in Oekoven auch kein Personenzug mehr.
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Erklärend sei noch zu den eingesetzten Wagenklassen auf dieser Strecke etwas gesagt. In den 20iger Jahren waren die Züge überwiegend mit der 2. bis 4. Wagenklasse ausgerüstet; die 1. Klasse fand man in den einfachen Personenzügen noch nicht. In den 30iger Jahren wurde dann die 4. Klasse abgeschafft, so daß sich bis in die 50iger Jahren die 2. und 3. Klasse durchsetzte. Erst ab 1956, nach Aufgabe der 3. Wagenklasse, wurde die noch heute gültige Umwandlung in 1. und 2. Wagenklasse vorgenommen. Bis in den 30iger Jahren hatte sich das Zugangebot nahezu verdoppelt. Es gab durchschnittlich 12 tägliche Zugverbindungen in beide Richtungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhöhte sich die Zahl der Zughalte in Oekoven drastisch. Diese Entwicklung bestand bis Anfang der 60iger Jahre unverändert und betrug täglich ca. 17 Zugpaare. Zwischen 1963 und 1964 sank das Angebot auf nur noch 10 Paare. Der Winterfahrplan 1964/65 brachte dann das abrupte Ende; ein sogenannter "Alibizug" hielt nämlich seit dem Sommerfahrplan 1965 in Oekoven. Kaum jemand hatte noch einen Nutzen davon, zumal die Verkehrszeiten äußerst ungünstig waren:
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12.49 Uhr nach Köln und 17.01 Uhr nach Mönchengladbach
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Am letzten Freitag im September 1965 um 17.01 Uhr war es dann soweit: Der letzte Personenzug hatte Oekoven verlassen. Damit hatte die Geschichte des schienengebundenen Personenverkehrs in Oekoven, nach nur 66 Jahren, ihr Ende gefunden.
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Der Güterverkehr
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Im Kapitel über die Grubenanschlußbahn wurde schon einiges über den Zugverkehr ausgesagt. An dieser Stelle soll auf die weiteren Güterzugverbindungen von und nach Oekoven genauer eingegangen werden. Als Abwicklungsgrundlage hierfür diente die Güterzugbildungsvorschrift der DB (Ausgabe Sommer 1962). Danach verkehrten folgende Güterzüge von und nach Oekoven:
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Zug - Nr. Zuglauf Bemerkungen
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Ne  5300 M'gladbach - Köln - Gereon 1)
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Dg  7771 Oekoven - Neuss Gbf 2)
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Dg  7777 Rommerskirchen - Hohenbudberg 3)
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Dg  7779 Oekoven - Hohenbudberg 4)
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Dg  7781 Oekoven - Neuss Gbf (Bedarfszug)
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Dg  7783 Oekoven - Neuss Gbf (Bedarfszug)
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Dg  7785 Oekoven - Neuss Gbf (Bedarfszug)
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Ng  9514 Grevenbroich - Rommerskirchen 5)
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Ng  9515 Köln - Nippes Gbf - Grevenbroich 5)
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Ng  9520 Neuss Gbf - Oekoven 6)
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Lgo 10369 Gremberg - Oekoven 7)
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Lgo 10456 Neuss Gbf - Oekoven Bedarfszug 8)
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Üb 15224 Grevenbroich - Oekoven
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Ub 15225 Oekoven - Grevenbroich
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Üb 15227 Oekoven - Grevenbroich 9)
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Üb 15230 Grevenbroich - Oekoven 10)
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Üb 15231 Oekoven - Grevenbroich
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Bemerkungen:
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1) Aufnahme von Wagen in Oekoven für Köln-Ehrenfeld als Schlußgruppe
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2) 1. Gruppe Staubkohlenwagen für Stadtwerke Düsseldorf - Grafenberg, 2. Gruppe Neuss
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3) bringt Wagen für Oekoven, nimmt Wagen für Hohenbudberg und Neuss mit
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4) nimmt Kohlenstaubwagen an der Spitze für Düsseldorf - Derendorf, Düsseldorf - Reisholz und andere Düsseldorfer Bahnhöfe, sowie Sandwagen für Düsseldorf - Gerresheim mit
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5) Wagen für Oekoven laufen an der Spitze
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6) 1. Gruppe Staubkohlenwagen, 2. Gruppe leere Pendelwagen für Glassandbeförderung
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7) bringt leere O - Wagen
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8) bringt Staubkohlenwagen nach Bedarf und leere O - Wagen
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9) 1. Gruppe Spitze Sandwagen für Düsseldorf, 2. Gruppe Neuss, 3. Gruppe Grevenbroich
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10) einschließlich Staubkohlenwagen
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Wie aus der Zusammenstellung hervorgeht, hielten hier von Naheilgüterzügen (Ne) bis hin zu Übergabezügen (Üb) die verschiedensten Zuggattungen, darunter auch Durchgangsgüterzüge (Dg), Nahgüterzüge (Ng) und Güterwagenleerzüge (Lgo). Bei allen Güterzügen war genau vorgeschrieben an welcher Stelle im Zug welche Wagengattungen eingestellt werden durften. Das nennt man im Amtsgebrauch Wagengruppen. Aus den einschlägigen Dienstvorschriften geht hervor, ob zum Beispiel ein Zug die Wagen für Oekoven an der Spitze, also direkt hinter der Lok, oder am Schluß des Zuges zu befördern hatte. Auch war festgelegt, welcher Zug bestimmte Wagen zu befördern hatte. So brachten zum Beispiel die beiden aufgeführten Lgo leere Wagen der Gruppe O (offene Wagen) nach Oekoven. Andere Züge waren dafür vorgesehen, die für Oekoven so typischen Kohlenstaubwagen zu übernehmen oder in einem fest eingerichteten Pendelverkehr die Sandwagen nach Düsseldorf - Gerresheim abzufahren.
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Natürlich wurden die in Oekoven von der Brikettfabrik übergehenden Güterwagen nicht nur in die nähere Umgebung verschickt. So wurden in den umliegenden großen Rangierbahnhöfen Neuss Gbf, Hohenbudberg bei Krefeld, Köln - Nippes Gbf und Gremberg die Wagen von und nach Oekoven auf weitere Güterzüge in alle Richtungen umgesetzt oder gesammelt. Auch wurden sogenannte Ganzzüge abgefertigt, bei denen die Güterwagen ohne rangiermäßige Unterwegsbehandlung bis zu ihrem Zielort zusammenblieben. Typische Ganzzüge, beladen mit Brikett, gab es zum Beispiel in den 30iger Jahren, die am späten Abend von der Brikettfabrik zur Reichsbahn überstellt wurden, um noch in der Nacht nach Hoya (bei Bremen) weiterbefördert zu werden. Bis zur Abfahrt des Zuges herrschte dann im Bahnhof ein emsiges Treiben, um die hierfür erforderlichen Papiere rechtzeitig zu erstellen.
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Damit läßt sich auch leicht erklären, warum Oekoven von Lokomotiven der verschiedensten Heimatdienststellen angefahren wurde. In der Anfangszeit, also um die Jahrhundertwende , waren es die preußischen Gattungen G3 und G7, die in Oekoven den Zugverkehr bewältigt haben. Es handelte sich um drei¬ beziehungsweise vierachsige Schlepptenderloks mit einer Leistung von 400 bis 700 PS. In der Zeit um den Ersten Weltkrieg kamen dann stärkere Heißdampfloks zum Einsatz. Sie gehörten der preußischen Gattung G 8 und G 8.1 an und leisteten 1100 beziehungsweise 1300 PS. Nach dem Kriege, Anfang der 20iger Jahre, tauchten dann die neu entwickelten G 8.2 auf. Mit ihrer vornliegenden Laufachse war sie für 65 km/h zugelassen, während die bisherigen Loks nur für 45 bis 50 km/h Höchstgeschwindigkeit zugelassen waren. Im Zweiten Weltkrieg wurden die umliegenden Dienststellen mit der Baureihe 50 ausgerüstet, die nun schon für 80 km/h zugelassen waren und über eine Leistung von 1600 PS verfügten.
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Wagenladungen, die für den Tarifpunkt "Bahnhof Oekoven" direkt bestimmt waren, gab es ein Ladegleis mit einer Seiten- und Kopframpe. Hier konnten die verschiedensten Güterwagen be- und entladen werden. Weiterhin war eine Gleiswaage mit einer Wiegefähigkeit von 50 Tonnen vorhanden.
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Eine weitere betriebliche Besonderheit im Güterverkehr stand alljährlich im Herbst an. Während der Zuckerrübenernte trat nämlich ein sogenannter "Rübenfahrplan" in Kraft. Er nahm in besonderem Maße Rücksicht auf die drastisch gestiegene Zahl spezieller Bedarfszüge für den Abtransport der Rüben. Dann herrschte im Bahnhof Oekoven Hochbetrieb. Personal, Lokomotiven und Güterwaggons wurden natürlich besonders gefordert. Heute läßt sich nur noch erahnen, welche zusätzlichen Leistungen dabei erbracht werden mußten. Während unter anderen zwei Nahgüterzüge die leeren Wagen für den Rübenverkehr auf verschiedene Bahnhöfe verteilten, wurden die beladenen Wagen mit Übergabezügen nach Grevenbroich abgefahren um dort einer der nächsten Zuckerfabriken überstellt zu werden.
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Zug- Nr. Zuglauf Bemerkungen
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Ng  9506 Grevenbroich - Rommerskirchen 1)
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Ng  9507 Rommerskirchen - Neuss Gbf 1)
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Üb 15220 Grevenbroich - Oekoven
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Üb 15221 Oekoven - Grevenbroich
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Üb 15222 Grevenbroich - Oekoven 2)
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Üb 15223 Oekoven - Grevenbroich 2)
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Üb 15228 Oekoven - Grevenbroich
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Üb 15233 Oekoven - Grevenbroich
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Üb 15234 Grevenbroich - Oekoven
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Üb 15236 Grevenbroich - Oekoven
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Bemerkungen:
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1) Schlußgruppe für Oekoven
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2) nur Sonn- und Feiertags
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Diesen Dienst verrichteten oft die 55iger (pr. G 8.1) des Bahnbetriebwerkes Neuss, die sonst überwiegend zuletzt nur im Rangierdienst eingesetzt wurden. Aber zur Erntezeit wurde alles benötigt was nur Räder hatte, so daß auch die betagten Maschinen wieder zu Streckendienstehren kamen.
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Heutzutage werden die Rüben im Raum Oekoven, wie so vielerorts, über die Straße abgefahren. Es ist kaum zu glauben, daß der Transport derartiger Massengüter, über die sowieso schon überlasteten Straßen als Fortschritt bezeichnet werden kann. So ändern sich die Zeiten. Für den Bahnhof Oekoven bedeutete diese Maßnahme dagegen einen weiteren Schritt zur unaufhaltbar fortschreitenden Auflösung.
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Eisenbahner und Reisende
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Was wäre ein Bahnhof ohne die Bediensteten, die Reisenden oder seine Anwohner? Viele menschliche Schicksale haben nur allzu oft gerade in Bahnhöfen ihren Lauf genommen. Ferne Reiseziele, Wiedersehen, aber auch Abschiede für immer stehen deshalb eng mit dem Begriff Bahnhof in Verbindung. Da kam es zu kuriosen, freudigen und auch tragischen Begebenheiten. Am 8. Februar 1911 wurde beispielsweise der 18 jährige Italiener Severino B. auf dem Bahnhof Oekoven festgenommen, weil er versucht hatte, "schwarz" im Bremserhaus eines Güterwagens im Güterzug Nr. 8527 von Rommerskirchen nach Oekoven zu fahren. Die deswegen ausgestellte Festnahmekarte wird noch heute im Gemeindearchiv von Rommerskirchen aufbewahrt. Da sich die festgenommene Person nicht ausweisen konnte (arbeitslos ohne festen Wohnsitz) wurde er der Polizei in Widdeshoven vorgeführt. Dort wurden die Personalien festgestellt. Von einer Bestrafung ist nichts überliefert.
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Ein anderer, viel tragischerer Vorfall ereignete sich am 8. Januar 1935 auf dem Bahnhof Oekoven. Um 20.30 Uhr wurde der Reichsbahnschaffner Wilhelm R. (52 Jahre) aus Odenkirchen von einem Eisenbahnwagen überfahren und kam dadurch sofort zu Tode.
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Dies sind nur zwei Begebenheiten, bei denen der Bahnhof Oekoven für Menschen zu mehr oder weniger große Schicksalsschläge geworden war.
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Da könnte wohl jeder Bahnhof seine eigene Geschichte erzählen, auch wenn er noch so klein ist. Ihre Bediensteten waren stolz auf die ihnen übertragenen Verantwortung. Das spiegelt das wohl älteste erhalten gebliebene Foto aus jener Zeit in Oekoven wieder. Es entstand um 1910. Darauf zu sehen ist auch der Stationsverwalter Otto Panzer (2. v.l.), wie sich der Dienststellenvorsteher eines Bahnhofes der Rangklasse drei seinerzeit nannte. Ein wahrhaft preußischer Beamter, welcher sich wohl gerne in seiner Uniform (Rockkragen mit Goldkante und einem goldenen Stern) dem Fotografen stellte. Daß auch auf kleineren Bahnstationen alles seine Rangordnung hatte, geht aus der Aufnahme sehr gut hervor. Obwohl der abgebildete Dienststellenleiter nur den Dienstgrad eines Assistenten trug, war das für einen kleinen Provinzbahnhof schon etwas Beachtliches. Damit stand er vergleichsweise auf der Stufe des Bürgermeisters oder des Pastors. Sein Beamtenrang fand auch durch die, in seiner rechten Hand sichtbaren weißen Handschuhe den gebührenden Ausdruck. Auch wenn nicht alle Namen überliefert sind, sollen an dieser Stelle doch die noch bekannten Namen der Personen genannt werden, welche einmal den einstigen Bahnhof geleitet haben. Es waren: Otto Panzer, Adomeid, Jakob Schmitz, Merheim, Anton Hamacher, Conzendorf und Bauer.
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Dem Stationsverwalter zur Seite gestellt war ein Praktikant, welcher auf dem Foto ganz links zu sehen ist. Er war in der Hierarchie des preußischen Beamtentums dazu berufen, später einmal die Stelle eines Assistenten einzunehmen.
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Wie personalintensiv schon ein so kleiner Bahnhof wie Oekoven war, zeigt diese Aufnahme sehr eindrucksvoll. Jeder hatte seine spezielle Aufgaben zu verrichten. Es gab zum Beispiel Telegraphisten, Güterexpedienten, Güterkassierer, Stationseinnehmer, Packmeister und andere mehr.
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Eine weitere Aufnahme aus den zwanziger Jahren (? 1927) blieb ebenfalls erhalten. Dank der auf dem Foto abgebildeten als kleines Mädchen abgebildeten Frau Agnes Schmitz, ist es gelungen fast alle Personen zu identifizieren:
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1) Pohl, Weichensteller
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2) Brings, Fahrkartenverkauf, Wartung der Petroleum- Signallaternen
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3) Jakob Schmitz, Fahrdienstleiter, Aufsicht
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4) Moll, Fahrdienstleiter, Aufsicht
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5) Johann Clemens, Weichensteller
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6) ? (war nur kurze Zeit in Oekoven)
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7) Franz Schmitz, Bahnhofswirt
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8) Oster, Fahrdienstleiter, Aufsicht
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9) ? (war nur kurze Zeit in Oekoven)
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10) Otto Panzer, Bahnhofsvorsteher
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11) Agnes Schmitz, Tochter des Bahnhofswirts
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12) Tillmann, Polizist Widdeshoven
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13) Josef Engels, ?
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14) Schmitz, Frau des Bahnhofswirts
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15) Heinrich Irnich, ?
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16) Panzer, Frau des Bannhofsvorstehers
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17) Winkels, Fahrkartenverkauf
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18) Görres, Weichensteller
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19) Fink, Fahrkartenverkauf
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Daß die sonst so dienstbeflissenen Beamten aber auch zu einem Spaß zu haben waren, beweist die abgebildete Aufnahme. Darauf gab jemand einen Abfahrauftrag, der sich jedoch nur als Eisenbahnbeamter verkleidet hatte. Unter der viel zu großen Uniform verbarg sich nämlich in Wirklichkeit eine Frau. Rechts im Bild erkennt man Johann Clemens, der nachfolgend noch etwas näher vorgestellt werden soll; links ist Jakob Schmitz zu erkennen.
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"Auf der Durchreise", so könnte man das letzte Foto dieser Reihe betiteln. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges kamen auch Soldaten durch Oekoven. Diese abgebildete Truppe ließ sich wohl gerne mit der Tochter des Bahnhofswirtes, Agnes Schmitz, im Bild festhalten. Für die Soldaten war es sicherlich eine willkommene Abwechslung, bevor sie noch am selben Tag, in eine ungewisse Zukunft weiterreisen mußten.
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Ein Eisenbahnerleben in Oekoven
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Durch einen glücklichen Umstand gelangte eine alte Personalakte in die Hände des Autoren. Daraus ließ sich das Berufsleben eines Eisenbahners nahezu lückenlos nachvollziehen. Da dieser Eisenbahner einen großen Teil seines beruflichen Lebens in Oekoven und in dieser Umgebung verbrachte, können diese Angaben sicherlich auch stellvertretend für die vielen anderen Eisenbahner gewertet werden. Als Randbemerkung sollen dabei auch allgemeingültige und zeitgenössische Lebensbedingungen berücksichtigt werden, wie zum Beispiel soziale Stellung und politische Verhältnisse. Dieser Aspekt wird heutzutage oftmals völlig verdrängt, wenn es um die sogenannte gute alte Zeit geht. Eine zu einseitige Betrachtung mit "Schönheitsfehlern" wäre die Folge!
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Die Personalunterlagen stammen von Johann Clemens. Er wurde am 7. August 1883 in Deelen, einen Kilometer von Oekoven entfernt, geboren und war katholischer Konfession. Als 20jähriger absolvierte er zunächst seinen Militärdienst. Hier diente er in der Zeit vom 8. Oktober 1903 bis 29. September 1906 im Ulanenregiment 07 in einer Eskadron, also in der kleinsten Einheit der Kavallerie.
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Am 8. Oktober 1906 trat er schließlich als Rottenarbeiter bei der Bahnmeisterei 2 in Rommerskirchen, in den Dienst der preußischen Eisenbahn. Sein Lohn bei der preußischen Eisenbahn war zu dieser Zeit sehr schlecht und entsprach der untersten Stufe im Besoldungsplan. Demnach verdiente im Jahr 1904 zum Beispiel ein Bahnunterhaltungsarbeiter ca. 1,80 – 1,90 Mark am Tag. Bei schlechtem Wetter wurde nicht gearbeitet, aber auch nichts verdient! Harte Zeiten, wenn man bedenkt, daß zu dieser Zeit für 1 kg Schweinefleisch ca. 1,40 Mark, für 1 kg Butter ca. 2,30 Mark, für 1 l Milch 20 Pfennig und 1 kg Schweineschmalz 1,20 Mark zu bezahlen waren. Alleine die Miete verschlang schon bis zu 40% des Durchschnittslohns. Die Arbeitszeit betrug im Durchschnitt 10 bis 12 Stunden am Tag. Viele arbeiteten aber sogar 14 bis 16 Stunden. Sonn- und Feiertage, sowie Überstunden wurden in der Regel nicht besonders vergütet. Den Streckenarbeitern, wie Johann Clemens, wurde bis 1910 überhaupt kein Urlaub gewährt. Begründet wurde diese Maßnahme mit nachfolgendem Argument: "Sie arbeiten meist im Freien, würden selten nachts oder sonntags eingesetzt und stünden sich damit ähnlich wie die Landarbeiter, die auch keinen Urlaub erhielten."
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Bei diesem Dienstort in Rommerskirchen blieb er 13 Jahre, obwohl er nicht immer dort eingesetzt war. Bekanntlich hatten die Bahnmeistereien auch Dienstposten, vor allem Schrankenposten bis Grevenbroich, zu besetzen. Auch war er zeitweise als Schreibhilfe tätig. Zum Stichtag 28. September 1917 beschäftigte die Bahnmeisterei 2 in Rommerskirchen 40 deutsche Arbeiter und 25 Kriegsgefangene.
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Erst knapp zwei Jahre nach seinem Eintritt zur Eisenbahn wurde er am 14. März 1908 vereidigt und nun als "Hülfsbediensteter" geführt. Dieser Zustand währte bis zum Jahre 1918. In jener Zeit wechselten des öfteren seine dienstlichen Tätigkeiten. So wurde er am 1. November 1909 als Hilfsweichensteller im Bahnhof Rommerskirchen geprüft. Anmerkend sei erwähnt, daß das alte Weichenwärterstellwerk in Rommerskirchen noch heute (1997) vorhanden, allerdings kürzlich außer Betrieb gegangen ist. Aus seinem Personalienbogen geht hervor, daß er am 29. November 1910 eine Strafe in Höhe von 1,- Mark zu zahlen hatte, da durch sein Fehlverhalten ein Wagen entgleiste. Wahrscheinlich kam er auf Grund dieses Vorfalls wieder zum Gleisbau als Rottenarbeiter, was aber nicht mehr belegt werden kann. Es muß aber auch erwähnt werden, daß er im Laufe seiner Dienstzeit einmal 25,- Mark für anerkennenswerte Leistungen zugesprochen bekam. Leider ist nicht vermerkt wann und für welche Leistungen. Aus den Unterlagen geht weiterhin hervor, wann er Erholungsurlaub bekam. So hatte Johann Clemens am 28. und 29. Juni 1913 und 14. und 15. November 1913 sogenannten Erholungsurlaub! Da viele Eisenbahner vom Verdienst bei der Eisenbahn alleine nicht leben konnten, betrieben einige noch nebenbei eine kleine Landwirtschaft. Wahrscheinlich war das auch bei Johann Clemens der Fall, denn vom 9. und 10. Oktober 1916 wurde er für die Kartoffelernte beurlaubt. Bedingt durch die Kriegszeit war auch jede zusätzliche Hand bei der Ernte nötig.
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Nach zweieinhalb Jahren wurde er zur Ausbildung als Rottenführer vorgeschlagen. Noch während der Ausbildungszeit erklärte er Herrn Westhoff von der Bahnmeisterei 2 in Rommerskirchen, daß er sich als Rottenführer nicht eignete; wörtlich: ".... er den Leuten nichts sagen könne!" Er bat um Abbruch der Ausbildung. Der Akte war nicht zu entnehmen, ob neben seinem fehlenden Durchsetzungsvermögen auch irgend welche Aufstiegsintrigen eine Rolle spielten. Acht Monate später bestand er in vollem Umfang die Prüfung als Telegraphist. Das war seinerzeit die Vorbedingung, um Fahrdienstleiter zu werden. Die Züge wurden nämlich telegrafisch (morsen) vorgemeldet und nicht etwa wie heute per Telefon oder elektronisch.
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Kurze Zeit später, nämlich am 22. Dezember 1913, wurde er dann auf den beiden Stellwerken im Bahnhof Grevenbroich - Ost als Fahrdienstleiter geprüft. Den Bahnhof gibt es heute nicht mehr. Er befand sich in Höhe des heutigen Erftwerkes. Dieser Bahnhof wurde nun für die nächsten Jahre sein neuer Dienstort. Am 3. September 1915 wurde er dann auch als Weichensteller förmlich geprüft. Seine Ernennung zum Hilfsweichensteller auf dem Stellwerk Govb (Grevenbroich Ost Vorbahnhof) erfolgte am 1. August 1917. Bereits zum 1. April 1918 erfolgte dann seine Übernahme als Beamter in den Staatsdienst. Als Bahnwärter bezog er fortan ein monatliches Gehalt in Höhe von 118,33 Mark. Das entsprach einem Tagesverdienst von 3,94 Mark.
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Durch die Einführung des 8-Stunden Tages (56 Stundenwoche) wurde im Jahre 1918 ein Mehrbedarf von 1/2 P - Kraft (Personalkraft = Beamtendeutsch) im Bahnhof Oekoven erforderlich. Auf diese Ausschreibung hin bewarben sich die Eisenbahner Clemens und Durst. Nach dem erforderlichen Schriftwechsel wurde zu Gunsten von Clemens entschieden. Wörtlich heißt es darin: ".... Clemens jedoch ist fleißiger als Durst!" Die Beurteilung oblag dem Vorsteher Reutemacher der Bahnmeisterei 2 in Rommerskirchen.
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Mit Schreiben vom 5. März 1919 wandte sich der Oekovener Bahnhofsvorsteher Panzer, an das Betriebsamt 2 in Köln mit folgendem Wortlaut:
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"Zufolge des starken Arbeitsverkehrs und das Einlegen von Arbeiterzügen, welche hier enden und beginnen ist es mir nicht möglich, mit den mir zur Verfügung stehenden Arbeitskräften die Arbeit zu bewältigen. Ich bitte den mir von der Bm 2 Rommerskirchen genehmigten 1/2 Kraft als ganze Kraft überweisen zu wollen."
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Vermutlich war es seinem Diensteifer bei der Eisenbahn zuzuschreiben, daß Johann Clemens daraufhin zum 1. April 1919 zum Bahnhof Oekoven versetzt wurde.
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Hier wurde er zunächst als Bahnwärter eingesetzt. Am 27. Mai 1919 bestand er die örtliche Fahrdienstleiterprüfung für das Stellwerk "Ko" in Oekoven; welches sich zu dieser Zeit noch vor dem Stationsgebäude auf dem Bahnsteig befand. Die Räumlichkeiten sind auch noch 1997 vorhanden, wenngleich sie auch nicht mehr bahnseitig benutzt werden.
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Da der Bahnhof Oekoven der Ortsklasse C (Rangordnung) zugeordnet war, wurde er zwei Monate später, am 26. Juni 1919, formlos für die C - Rate geprüft, was einer allgemeinen Verwendungstauglichkeit gleichkam. Diese Prüfung wird sich überwiegend auf dem Besoldungszettel in Form von Zuschlägen ausgewirkt haben. Am 16. März 1920 wurde er dann zum Weichenwärter ernannt. Damit bekam er einen planmäßigen Posten auf dem Stellwerk zugewiesen, wo er bisher nur andere Kollegen als Ablöser vertreten hatte. Nur wenige Tage später, nämlich am 1. April 1920, hörten die deutschen Länderbahnen auf zu existieren und schlossen sich zur Deutschen Reichsbahn zusammen. Auf Grund dieses wichtigen Ereignisses wurden die Besoldungen neu und einheitlich festgelegt. Da sich die wirtschaftlichen Ereignisse in den darauffolgenden vier Jahren überschlugen (Inflation und Regiezeit), sollen die Besoldungen während dieser Inflationszeit, soweit noch feststellbar, aufgeführt werden:
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Stichtag Grundgehalt 50% Teuerungsrate jährlich
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April 1920 5.700 RM 2.850 RM 8.550 RM
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Oktober 1921 16.500 RM 5.300 RM 21.800 RM
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Juli bis Sept. 1923 5.234.510 RM 301.895.708 RM 307.130.218 RM
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Der wirtschaftliche Niedergang hatte 1923 seinen Tiefpunkt erreicht was das enorm gestiegene Gehalt auch deutlich zeigt. Sicherlich war das für die Menschen damals nicht einfach gewesen. Der verlorene Erste Weltkrieg, die nicht endenwollenden Reparationen, die Weltwirtschaftskrise... Die große Politik hatte immer etwas Neues auf Lager, so daß die Bevölkerung nicht zur Ruhe kam um sich etwas in geregelter Form aufzubauen und den Lebensstandard zu verbessern. Unser Johann Clemens lebte zu dieser Zeit bei seiner Schwester, da er erst spät heiratete. In dieser schweren Zeit erging es der Bevölkerung auf dem Lande besser als in der Stadt, wo man noch etwas leichter an die sonst knapp gewordenen Lebensmittel herankam.
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Während der Ruhrbesetzung durch die Franzosen und Belgier, von der ja auch Oekoven betroffen war, galten neue und oftmals für die Bahnbedienstete unverständliche Regeln und Anweisungen. Diese Änderungen gingen sogar soweit, daß die Eisenbahner neu vereidigt wurden. Sie unterstanden nun der "Regie des Chemins de Fer territions Occupes - Direktion Exploitation". Es war also eine Direktion geschaffen worden, welche den Eisenbahnablauf im besetzten Gebiet zu überwachen hatte. Diese "Direktion" befand sich in "Aix la Chapelle" (Aachen). Über diese Stelle wurden auch alle dienstliche Belange des Bahnhofs Oekoven abgewickelt. Demzufolge wurden die Bediensteten auch in der französischen Währung besoldet! Johann Clemens erhielt:
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Grundgehalt Ortszuschlag jährlich monatlich
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283,- Frans 69,- Frans 352,- Frans 29.30 Frans
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Im gesamten Deutschen Reich wurde die Geldentwertung bekämpft, welche am 1. Dezember 1923 durch die Einführung der Rentenmark ein Ende fand. Das bis dahin gültige Papiergeld wurde ungültig und eingetauscht. Für eine Billiarde Papiermark gab es eine Rentenmark. Nun war zwar die Inflation vorüber, aber die Zeit der Regie an Rhein und Ruhr war nicht viel besser. In dieser Zeit wurden viele Eisenbahnanschläge von deutschen Eisenbahnern verübt, um den reibungslosen Abtransport nach Frankreich zu stören.
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Am 29. August 1924 bekam Johann Clemens die Anstellung auf Lebenszeit. Sein dienstlicher Aufstieg verlief nun ziemlich planmäßig. Am 28. August 1933 bestand er die Assistentenprüfung mit genügend und wurde am 1. November 1934 zum Reichsbahn - Sekretär ernannt. Er bekam noch am selben Tag einen Dienstposten im Bahnhof Büttgen (Strecke Mönchengladbach - Neuss) zugeteilt. Damit war auch seine 15jährige Dienstzeit in Oekoven beendet. Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, daß er am 19. Mai 1939 zum Reichsbahn - Obersekretär befördert wurde. Kurze Zeit später, nämlich am 5. Oktober 1939, wurde er zum Bahnhof Nievenheim (Strecke Neuss - Köln) versetzt. Er wohnte aber weiterhin im Bahnhof Büttgen. Seine Verdienste betrugen nun:
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Stichtag Grundgehalt (ohne Zulagen)
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(jährlich) (monatlich)
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01.11.34 3.300 RM 275 RM
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01.03.39 3.600 RM 300 RM
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Als aktiver Eisenbahner erlebte er auch noch den Zweiten Weltkrieg, bevor er am 1. Februar 1946, zweiundsechszigjährig, in den Ruhestand versetzt wurde. Als Begründung wurde angegeben:
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".... wegen Schwäche der körperlichen Kräfte zur Erfüllung Ihrer Amtspflichten dauernd unfähig."
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Sein letztes Gehalt betrug jährlich 4.952 RM was monatlich 328,64 RM entspricht. Am 1. September 1948 wurde seine Rente endgültig festgelegt und betrug 3.744 RM jährlich. (312 RM monatlich)
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Am 31.03.1956 verstarb Johann Clemens im Alter von 73 Jahren und wurde in Oekoven beigesetzt.
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Version vom 12:39, 14. Jul. 2011

Der Bahnhof Oekoven und die Grubenanschlußbahn der Gewerkschaft Neurath, Teil 4/5

von Günter Krall, Mönchengladbach 1997 Postanschrift: Feld- und Werksbahn Museum e. V. z.Hd. Günter Krall, Zur Werksbahn 1, 41569 Rommerskirchen

Der Personenverkehr

Wollte man früher von Oekoven aus mit der Eisenbahn verreisen, kam man ohne umzusteigen nicht allzuweit. Das lag daran, daß hier nur Personenzüge der untersten Kategorie hielten. Solche Züge werden im allgemeinen Volksmund, auch heute noch, als Bummelzüge bezeichnet, obwohl sie die Amtssprache Nahverkehrszüge nannte. Man konnte durchgehend nur bis nach Köln oder Mönchengladbach beziehungsweise Kaldenkirchen fahren. Schnellfahrende Eilzüge oder sogar D-Züge hielten nie in Oekoven. Zumindest konnte sich Oekoven rühmen, wenigstens an der Strecke des zwischen 1951 und 1962 hier verkehrenden hochrangigen Renommierzug (F 163/164 "Rheingold") der DB zu liegen. Dennoch: Bis in die 30iger Jahre war Oekoven sogar Zugbildungsbahnhof für einzelne Personenzüge.

In den ersten Jahren entwickelte sich der Zugbetrieb sehr schnell. Dieser Entwicklung trug man durch den zweigleisigen Ausbau der Strecke Rechnung. Bis zum Ersten Weltkrieg hielten in Oekoven täglich zwischen sechs und acht Zugpaare. Sie führten alle die erste bis vierte Wagenklasse. Am 26.April 1913 setzt das Bürgermeisteramt zu Widdeshoven ein Schreiben an die Eisenbahndirektion Cöln mit der Bitte, den in Rommerskirchen endenden Triebwagen bis nach Oekoven durchzuführen. Der lange Aufenthalt im Nachbarbahnhof erlaube die Fahrt bis nach Oekoven und man erhoffe sich wegen der günstigen Zeit eine sehr gute Benutzung, durch die Bevölkerung für Fahrten nach Köln. Am 12. August 1913 teilte die Eisenbahndirektion mit, daß, dem Wunsche entsprochen wird und der Triebwagen zum Fahrplanwechsel ab dem 1. Oktober 1913 von Köln-Ehrenfeld aus bis nach Oekoven durchgeführt wird. Der Fahrplan war wie folgt:

T 1507 an Oekoven 8.20 Uhr, T 1508 ab Oekoven 8.46 Uhr.

Diese Zugverbindung bestand auch noch 1916. Nun begann beziehungsweise endete der Zug aber in Köln Hbf. Die geänderten Fahrzeiten sind dem nachfolgend abgebildeten Kursbuchauszug zu entnehmen. Das Zugpaar war aus den damals modernen, preußischen Speichertriebwagen (= Akkutriebwagen: elektrischer Triebwagen mit Batterieantrieb) gebildet. Im Februar 1909 war in Köln eine Batterieladestation eingerichtet worden. Dort waren drei Speichertriebwagen beheimatet, welche die Bezeichnung:

273/274 Cöln ab 1910 325/326 275/276 Cöln ab 1910 327/328 277/278 Cöln ab 1910 329/330

trugen. Alle Triebwagen waren zweiteilig. Die Kölner Ladestation für die Batterien, welche den Triebwagen eine Reichweite von 100 Kilometern ermöglichte, wurde aber schon während des Ersten Weltkrieges wieder stillgelegt. Damit endete im Fahrplan von 1917 auch diese interessante Personenzugleistung nach Oekoven. Anzumerken ist noch, daß die Akkumulatortriebwagen die Wagenklasse 2. bis 4. führten. So lautete auch die Angabe im Kursbuch. Die Arbeiter der Brikettfabrik Neurath waren nun wieder auf durchgehende Personenzüge angewiesen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein Zugpaar von Mönchengladbach aus eingesetzt, welches in Oekoven wendete. Diese Verbindung war im Kursbuch von 1924 mit den Daten, Ankunft in Oekoven um 13.23 Uhr, Rückfahrt von dort um 14.41 Uhr, gekennzeichnet. Dieses Zugangebot bestand aber nur werktags. Seit 1925 änderten sich die Zeiten folgendermaßen: Ankunft 14.27 Uhr, Abfahrt 15.00 Uhr. Gleichzeitig wurde diese Rückleistung als Vorzug 597 von Köln nach Mönchengladbach erbracht. Der eigentliche "597" verkehrte dagegen erst 25 Minuten später. Durch diesen Vorzug ging man speziell auf den Schichtwechsel bei der Brikettfabik Neurath ein, so daß den dort Beschäftigten eine attraktive Verbindung zur Verfügung stand. Daß dieses Angebot auch tatsächlich angenommen wurde, geht aus dem Fahrplan von 1931 hervor. Darin ist dieses Zugpaar, abgesehen von der auf 14.23 Uhr vorverlegten Ankunftszeit, unverändert ausgeschrieben. Erst nach amtlichen Unterlagen ab 1939 fehlte diese Verbindung. Damit endete in Oekoven auch kein Personenzug mehr.

Erklärend sei noch zu den eingesetzten Wagenklassen auf dieser Strecke etwas gesagt. In den 20iger Jahren waren die Züge überwiegend mit der 2. bis 4. Wagenklasse ausgerüstet; die 1. Klasse fand man in den einfachen Personenzügen noch nicht. In den 30iger Jahren wurde dann die 4. Klasse abgeschafft, so daß sich bis in die 50iger Jahren die 2. und 3. Klasse durchsetzte. Erst ab 1956, nach Aufgabe der 3. Wagenklasse, wurde die noch heute gültige Umwandlung in 1. und 2. Wagenklasse vorgenommen. Bis in den 30iger Jahren hatte sich das Zugangebot nahezu verdoppelt. Es gab durchschnittlich 12 tägliche Zugverbindungen in beide Richtungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhöhte sich die Zahl der Zughalte in Oekoven drastisch. Diese Entwicklung bestand bis Anfang der 60iger Jahre unverändert und betrug täglich ca. 17 Zugpaare. Zwischen 1963 und 1964 sank das Angebot auf nur noch 10 Paare. Der Winterfahrplan 1964/65 brachte dann das abrupte Ende; ein sogenannter "Alibizug" hielt nämlich seit dem Sommerfahrplan 1965 in Oekoven. Kaum jemand hatte noch einen Nutzen davon, zumal die Verkehrszeiten äußerst ungünstig waren:

12.49 Uhr nach Köln und 17.01 Uhr nach Mönchengladbach

Am letzten Freitag im September 1965 um 17.01 Uhr war es dann soweit: Der letzte Personenzug hatte Oekoven verlassen. Damit hatte die Geschichte des schienengebundenen Personenverkehrs in Oekoven, nach nur 66 Jahren, ihr Ende gefunden.

Der Güterverkehr

Im Kapitel über die Grubenanschlußbahn wurde schon einiges über den Zugverkehr ausgesagt. An dieser Stelle soll auf die weiteren Güterzugverbindungen von und nach Oekoven genauer eingegangen werden. Als Abwicklungsgrundlage hierfür diente die Güterzugbildungsvorschrift der DB (Ausgabe Sommer 1962). Danach verkehrten folgende Güterzüge von und nach Oekoven:

Zug - Nr. Zuglauf Bemerkungen

Ne 5300 M'gladbach - Köln - Gereon 1) Dg 7771 Oekoven - Neuss Gbf 2) Dg 7777 Rommerskirchen - Hohenbudberg 3) Dg 7779 Oekoven - Hohenbudberg 4) Dg 7781 Oekoven - Neuss Gbf (Bedarfszug) Dg 7783 Oekoven - Neuss Gbf (Bedarfszug) Dg 7785 Oekoven - Neuss Gbf (Bedarfszug) Ng 9514 Grevenbroich - Rommerskirchen 5) Ng 9515 Köln - Nippes Gbf - Grevenbroich 5) Ng 9520 Neuss Gbf - Oekoven 6) Lgo 10369 Gremberg - Oekoven 7) Lgo 10456 Neuss Gbf - Oekoven Bedarfszug 8) Üb 15224 Grevenbroich - Oekoven Ub 15225 Oekoven - Grevenbroich Üb 15227 Oekoven - Grevenbroich 9) Üb 15230 Grevenbroich - Oekoven 10) Üb 15231 Oekoven - Grevenbroich


Bemerkungen: 1) Aufnahme von Wagen in Oekoven für Köln-Ehrenfeld als Schlußgruppe 2) 1. Gruppe Staubkohlenwagen für Stadtwerke Düsseldorf - Grafenberg, 2. Gruppe Neuss 3) bringt Wagen für Oekoven, nimmt Wagen für Hohenbudberg und Neuss mit 4) nimmt Kohlenstaubwagen an der Spitze für Düsseldorf - Derendorf, Düsseldorf - Reisholz und andere Düsseldorfer Bahnhöfe, sowie Sandwagen für Düsseldorf - Gerresheim mit 5) Wagen für Oekoven laufen an der Spitze 6) 1. Gruppe Staubkohlenwagen, 2. Gruppe leere Pendelwagen für Glassandbeförderung 7) bringt leere O - Wagen 8) bringt Staubkohlenwagen nach Bedarf und leere O - Wagen 9) 1. Gruppe Spitze Sandwagen für Düsseldorf, 2. Gruppe Neuss, 3. Gruppe Grevenbroich 10) einschließlich Staubkohlenwagen

Wie aus der Zusammenstellung hervorgeht, hielten hier von Naheilgüterzügen (Ne) bis hin zu Übergabezügen (Üb) die verschiedensten Zuggattungen, darunter auch Durchgangsgüterzüge (Dg), Nahgüterzüge (Ng) und Güterwagenleerzüge (Lgo). Bei allen Güterzügen war genau vorgeschrieben an welcher Stelle im Zug welche Wagengattungen eingestellt werden durften. Das nennt man im Amtsgebrauch Wagengruppen. Aus den einschlägigen Dienstvorschriften geht hervor, ob zum Beispiel ein Zug die Wagen für Oekoven an der Spitze, also direkt hinter der Lok, oder am Schluß des Zuges zu befördern hatte. Auch war festgelegt, welcher Zug bestimmte Wagen zu befördern hatte. So brachten zum Beispiel die beiden aufgeführten Lgo leere Wagen der Gruppe O (offene Wagen) nach Oekoven. Andere Züge waren dafür vorgesehen, die für Oekoven so typischen Kohlenstaubwagen zu übernehmen oder in einem fest eingerichteten Pendelverkehr die Sandwagen nach Düsseldorf - Gerresheim abzufahren.

Natürlich wurden die in Oekoven von der Brikettfabrik übergehenden Güterwagen nicht nur in die nähere Umgebung verschickt. So wurden in den umliegenden großen Rangierbahnhöfen Neuss Gbf, Hohenbudberg bei Krefeld, Köln - Nippes Gbf und Gremberg die Wagen von und nach Oekoven auf weitere Güterzüge in alle Richtungen umgesetzt oder gesammelt. Auch wurden sogenannte Ganzzüge abgefertigt, bei denen die Güterwagen ohne rangiermäßige Unterwegsbehandlung bis zu ihrem Zielort zusammenblieben. Typische Ganzzüge, beladen mit Brikett, gab es zum Beispiel in den 30iger Jahren, die am späten Abend von der Brikettfabrik zur Reichsbahn überstellt wurden, um noch in der Nacht nach Hoya (bei Bremen) weiterbefördert zu werden. Bis zur Abfahrt des Zuges herrschte dann im Bahnhof ein emsiges Treiben, um die hierfür erforderlichen Papiere rechtzeitig zu erstellen.

Damit läßt sich auch leicht erklären, warum Oekoven von Lokomotiven der verschiedensten Heimatdienststellen angefahren wurde. In der Anfangszeit, also um die Jahrhundertwende , waren es die preußischen Gattungen G3 und G7, die in Oekoven den Zugverkehr bewältigt haben. Es handelte sich um drei¬ beziehungsweise vierachsige Schlepptenderloks mit einer Leistung von 400 bis 700 PS. In der Zeit um den Ersten Weltkrieg kamen dann stärkere Heißdampfloks zum Einsatz. Sie gehörten der preußischen Gattung G 8 und G 8.1 an und leisteten 1100 beziehungsweise 1300 PS. Nach dem Kriege, Anfang der 20iger Jahre, tauchten dann die neu entwickelten G 8.2 auf. Mit ihrer vornliegenden Laufachse war sie für 65 km/h zugelassen, während die bisherigen Loks nur für 45 bis 50 km/h Höchstgeschwindigkeit zugelassen waren. Im Zweiten Weltkrieg wurden die umliegenden Dienststellen mit der Baureihe 50 ausgerüstet, die nun schon für 80 km/h zugelassen waren und über eine Leistung von 1600 PS verfügten.

Wagenladungen, die für den Tarifpunkt "Bahnhof Oekoven" direkt bestimmt waren, gab es ein Ladegleis mit einer Seiten- und Kopframpe. Hier konnten die verschiedensten Güterwagen be- und entladen werden. Weiterhin war eine Gleiswaage mit einer Wiegefähigkeit von 50 Tonnen vorhanden.

Eine weitere betriebliche Besonderheit im Güterverkehr stand alljährlich im Herbst an. Während der Zuckerrübenernte trat nämlich ein sogenannter "Rübenfahrplan" in Kraft. Er nahm in besonderem Maße Rücksicht auf die drastisch gestiegene Zahl spezieller Bedarfszüge für den Abtransport der Rüben. Dann herrschte im Bahnhof Oekoven Hochbetrieb. Personal, Lokomotiven und Güterwaggons wurden natürlich besonders gefordert. Heute läßt sich nur noch erahnen, welche zusätzlichen Leistungen dabei erbracht werden mußten. Während unter anderen zwei Nahgüterzüge die leeren Wagen für den Rübenverkehr auf verschiedene Bahnhöfe verteilten, wurden die beladenen Wagen mit Übergabezügen nach Grevenbroich abgefahren um dort einer der nächsten Zuckerfabriken überstellt zu werden.

Zug- Nr. Zuglauf Bemerkungen

Ng 9506 Grevenbroich - Rommerskirchen 1) Ng 9507 Rommerskirchen - Neuss Gbf 1) Üb 15220 Grevenbroich - Oekoven Üb 15221 Oekoven - Grevenbroich Üb 15222 Grevenbroich - Oekoven 2) Üb 15223 Oekoven - Grevenbroich 2) Üb 15228 Oekoven - Grevenbroich Üb 15233 Oekoven - Grevenbroich Üb 15234 Grevenbroich - Oekoven Üb 15236 Grevenbroich - Oekoven


Bemerkungen: 1) Schlußgruppe für Oekoven 2) nur Sonn- und Feiertags

Diesen Dienst verrichteten oft die 55iger (pr. G 8.1) des Bahnbetriebwerkes Neuss, die sonst überwiegend zuletzt nur im Rangierdienst eingesetzt wurden. Aber zur Erntezeit wurde alles benötigt was nur Räder hatte, so daß auch die betagten Maschinen wieder zu Streckendienstehren kamen.

Heutzutage werden die Rüben im Raum Oekoven, wie so vielerorts, über die Straße abgefahren. Es ist kaum zu glauben, daß der Transport derartiger Massengüter, über die sowieso schon überlasteten Straßen als Fortschritt bezeichnet werden kann. So ändern sich die Zeiten. Für den Bahnhof Oekoven bedeutete diese Maßnahme dagegen einen weiteren Schritt zur unaufhaltbar fortschreitenden Auflösung.


Eisenbahner und Reisende

Was wäre ein Bahnhof ohne die Bediensteten, die Reisenden oder seine Anwohner? Viele menschliche Schicksale haben nur allzu oft gerade in Bahnhöfen ihren Lauf genommen. Ferne Reiseziele, Wiedersehen, aber auch Abschiede für immer stehen deshalb eng mit dem Begriff Bahnhof in Verbindung. Da kam es zu kuriosen, freudigen und auch tragischen Begebenheiten. Am 8. Februar 1911 wurde beispielsweise der 18 jährige Italiener Severino B. auf dem Bahnhof Oekoven festgenommen, weil er versucht hatte, "schwarz" im Bremserhaus eines Güterwagens im Güterzug Nr. 8527 von Rommerskirchen nach Oekoven zu fahren. Die deswegen ausgestellte Festnahmekarte wird noch heute im Gemeindearchiv von Rommerskirchen aufbewahrt. Da sich die festgenommene Person nicht ausweisen konnte (arbeitslos ohne festen Wohnsitz) wurde er der Polizei in Widdeshoven vorgeführt. Dort wurden die Personalien festgestellt. Von einer Bestrafung ist nichts überliefert.

Ein anderer, viel tragischerer Vorfall ereignete sich am 8. Januar 1935 auf dem Bahnhof Oekoven. Um 20.30 Uhr wurde der Reichsbahnschaffner Wilhelm R. (52 Jahre) aus Odenkirchen von einem Eisenbahnwagen überfahren und kam dadurch sofort zu Tode.

Dies sind nur zwei Begebenheiten, bei denen der Bahnhof Oekoven für Menschen zu mehr oder weniger große Schicksalsschläge geworden war.

Da könnte wohl jeder Bahnhof seine eigene Geschichte erzählen, auch wenn er noch so klein ist. Ihre Bediensteten waren stolz auf die ihnen übertragenen Verantwortung. Das spiegelt das wohl älteste erhalten gebliebene Foto aus jener Zeit in Oekoven wieder. Es entstand um 1910. Darauf zu sehen ist auch der Stationsverwalter Otto Panzer (2. v.l.), wie sich der Dienststellenvorsteher eines Bahnhofes der Rangklasse drei seinerzeit nannte. Ein wahrhaft preußischer Beamter, welcher sich wohl gerne in seiner Uniform (Rockkragen mit Goldkante und einem goldenen Stern) dem Fotografen stellte. Daß auch auf kleineren Bahnstationen alles seine Rangordnung hatte, geht aus der Aufnahme sehr gut hervor. Obwohl der abgebildete Dienststellenleiter nur den Dienstgrad eines Assistenten trug, war das für einen kleinen Provinzbahnhof schon etwas Beachtliches. Damit stand er vergleichsweise auf der Stufe des Bürgermeisters oder des Pastors. Sein Beamtenrang fand auch durch die, in seiner rechten Hand sichtbaren weißen Handschuhe den gebührenden Ausdruck. Auch wenn nicht alle Namen überliefert sind, sollen an dieser Stelle doch die noch bekannten Namen der Personen genannt werden, welche einmal den einstigen Bahnhof geleitet haben. Es waren: Otto Panzer, Adomeid, Jakob Schmitz, Merheim, Anton Hamacher, Conzendorf und Bauer.

Dem Stationsverwalter zur Seite gestellt war ein Praktikant, welcher auf dem Foto ganz links zu sehen ist. Er war in der Hierarchie des preußischen Beamtentums dazu berufen, später einmal die Stelle eines Assistenten einzunehmen.

Wie personalintensiv schon ein so kleiner Bahnhof wie Oekoven war, zeigt diese Aufnahme sehr eindrucksvoll. Jeder hatte seine spezielle Aufgaben zu verrichten. Es gab zum Beispiel Telegraphisten, Güterexpedienten, Güterkassierer, Stationseinnehmer, Packmeister und andere mehr.

Eine weitere Aufnahme aus den zwanziger Jahren (? 1927) blieb ebenfalls erhalten. Dank der auf dem Foto abgebildeten als kleines Mädchen abgebildeten Frau Agnes Schmitz, ist es gelungen fast alle Personen zu identifizieren:

1) Pohl, Weichensteller 2) Brings, Fahrkartenverkauf, Wartung der Petroleum- Signallaternen 3) Jakob Schmitz, Fahrdienstleiter, Aufsicht 4) Moll, Fahrdienstleiter, Aufsicht 5) Johann Clemens, Weichensteller 6) ? (war nur kurze Zeit in Oekoven) 7) Franz Schmitz, Bahnhofswirt 8) Oster, Fahrdienstleiter, Aufsicht 9) ? (war nur kurze Zeit in Oekoven) 10) Otto Panzer, Bahnhofsvorsteher 11) Agnes Schmitz, Tochter des Bahnhofswirts 12) Tillmann, Polizist Widdeshoven 13) Josef Engels, ? 14) Schmitz, Frau des Bahnhofswirts 15) Heinrich Irnich, ? 16) Panzer, Frau des Bannhofsvorstehers 17) Winkels, Fahrkartenverkauf 18) Görres, Weichensteller 19) Fink, Fahrkartenverkauf

Daß die sonst so dienstbeflissenen Beamten aber auch zu einem Spaß zu haben waren, beweist die abgebildete Aufnahme. Darauf gab jemand einen Abfahrauftrag, der sich jedoch nur als Eisenbahnbeamter verkleidet hatte. Unter der viel zu großen Uniform verbarg sich nämlich in Wirklichkeit eine Frau. Rechts im Bild erkennt man Johann Clemens, der nachfolgend noch etwas näher vorgestellt werden soll; links ist Jakob Schmitz zu erkennen.

"Auf der Durchreise", so könnte man das letzte Foto dieser Reihe betiteln. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges kamen auch Soldaten durch Oekoven. Diese abgebildete Truppe ließ sich wohl gerne mit der Tochter des Bahnhofswirtes, Agnes Schmitz, im Bild festhalten. Für die Soldaten war es sicherlich eine willkommene Abwechslung, bevor sie noch am selben Tag, in eine ungewisse Zukunft weiterreisen mußten.

Ein Eisenbahnerleben in Oekoven

Durch einen glücklichen Umstand gelangte eine alte Personalakte in die Hände des Autoren. Daraus ließ sich das Berufsleben eines Eisenbahners nahezu lückenlos nachvollziehen. Da dieser Eisenbahner einen großen Teil seines beruflichen Lebens in Oekoven und in dieser Umgebung verbrachte, können diese Angaben sicherlich auch stellvertretend für die vielen anderen Eisenbahner gewertet werden. Als Randbemerkung sollen dabei auch allgemeingültige und zeitgenössische Lebensbedingungen berücksichtigt werden, wie zum Beispiel soziale Stellung und politische Verhältnisse. Dieser Aspekt wird heutzutage oftmals völlig verdrängt, wenn es um die sogenannte gute alte Zeit geht. Eine zu einseitige Betrachtung mit "Schönheitsfehlern" wäre die Folge!

Die Personalunterlagen stammen von Johann Clemens. Er wurde am 7. August 1883 in Deelen, einen Kilometer von Oekoven entfernt, geboren und war katholischer Konfession. Als 20jähriger absolvierte er zunächst seinen Militärdienst. Hier diente er in der Zeit vom 8. Oktober 1903 bis 29. September 1906 im Ulanenregiment 07 in einer Eskadron, also in der kleinsten Einheit der Kavallerie.

Am 8. Oktober 1906 trat er schließlich als Rottenarbeiter bei der Bahnmeisterei 2 in Rommerskirchen, in den Dienst der preußischen Eisenbahn. Sein Lohn bei der preußischen Eisenbahn war zu dieser Zeit sehr schlecht und entsprach der untersten Stufe im Besoldungsplan. Demnach verdiente im Jahr 1904 zum Beispiel ein Bahnunterhaltungsarbeiter ca. 1,80 – 1,90 Mark am Tag. Bei schlechtem Wetter wurde nicht gearbeitet, aber auch nichts verdient! Harte Zeiten, wenn man bedenkt, daß zu dieser Zeit für 1 kg Schweinefleisch ca. 1,40 Mark, für 1 kg Butter ca. 2,30 Mark, für 1 l Milch 20 Pfennig und 1 kg Schweineschmalz 1,20 Mark zu bezahlen waren. Alleine die Miete verschlang schon bis zu 40% des Durchschnittslohns. Die Arbeitszeit betrug im Durchschnitt 10 bis 12 Stunden am Tag. Viele arbeiteten aber sogar 14 bis 16 Stunden. Sonn- und Feiertage, sowie Überstunden wurden in der Regel nicht besonders vergütet. Den Streckenarbeitern, wie Johann Clemens, wurde bis 1910 überhaupt kein Urlaub gewährt. Begründet wurde diese Maßnahme mit nachfolgendem Argument: "Sie arbeiten meist im Freien, würden selten nachts oder sonntags eingesetzt und stünden sich damit ähnlich wie die Landarbeiter, die auch keinen Urlaub erhielten."

Bei diesem Dienstort in Rommerskirchen blieb er 13 Jahre, obwohl er nicht immer dort eingesetzt war. Bekanntlich hatten die Bahnmeistereien auch Dienstposten, vor allem Schrankenposten bis Grevenbroich, zu besetzen. Auch war er zeitweise als Schreibhilfe tätig. Zum Stichtag 28. September 1917 beschäftigte die Bahnmeisterei 2 in Rommerskirchen 40 deutsche Arbeiter und 25 Kriegsgefangene.

Erst knapp zwei Jahre nach seinem Eintritt zur Eisenbahn wurde er am 14. März 1908 vereidigt und nun als "Hülfsbediensteter" geführt. Dieser Zustand währte bis zum Jahre 1918. In jener Zeit wechselten des öfteren seine dienstlichen Tätigkeiten. So wurde er am 1. November 1909 als Hilfsweichensteller im Bahnhof Rommerskirchen geprüft. Anmerkend sei erwähnt, daß das alte Weichenwärterstellwerk in Rommerskirchen noch heute (1997) vorhanden, allerdings kürzlich außer Betrieb gegangen ist. Aus seinem Personalienbogen geht hervor, daß er am 29. November 1910 eine Strafe in Höhe von 1,- Mark zu zahlen hatte, da durch sein Fehlverhalten ein Wagen entgleiste. Wahrscheinlich kam er auf Grund dieses Vorfalls wieder zum Gleisbau als Rottenarbeiter, was aber nicht mehr belegt werden kann. Es muß aber auch erwähnt werden, daß er im Laufe seiner Dienstzeit einmal 25,- Mark für anerkennenswerte Leistungen zugesprochen bekam. Leider ist nicht vermerkt wann und für welche Leistungen. Aus den Unterlagen geht weiterhin hervor, wann er Erholungsurlaub bekam. So hatte Johann Clemens am 28. und 29. Juni 1913 und 14. und 15. November 1913 sogenannten Erholungsurlaub! Da viele Eisenbahner vom Verdienst bei der Eisenbahn alleine nicht leben konnten, betrieben einige noch nebenbei eine kleine Landwirtschaft. Wahrscheinlich war das auch bei Johann Clemens der Fall, denn vom 9. und 10. Oktober 1916 wurde er für die Kartoffelernte beurlaubt. Bedingt durch die Kriegszeit war auch jede zusätzliche Hand bei der Ernte nötig.

Nach zweieinhalb Jahren wurde er zur Ausbildung als Rottenführer vorgeschlagen. Noch während der Ausbildungszeit erklärte er Herrn Westhoff von der Bahnmeisterei 2 in Rommerskirchen, daß er sich als Rottenführer nicht eignete; wörtlich: ".... er den Leuten nichts sagen könne!" Er bat um Abbruch der Ausbildung. Der Akte war nicht zu entnehmen, ob neben seinem fehlenden Durchsetzungsvermögen auch irgend welche Aufstiegsintrigen eine Rolle spielten. Acht Monate später bestand er in vollem Umfang die Prüfung als Telegraphist. Das war seinerzeit die Vorbedingung, um Fahrdienstleiter zu werden. Die Züge wurden nämlich telegrafisch (morsen) vorgemeldet und nicht etwa wie heute per Telefon oder elektronisch.

Kurze Zeit später, nämlich am 22. Dezember 1913, wurde er dann auf den beiden Stellwerken im Bahnhof Grevenbroich - Ost als Fahrdienstleiter geprüft. Den Bahnhof gibt es heute nicht mehr. Er befand sich in Höhe des heutigen Erftwerkes. Dieser Bahnhof wurde nun für die nächsten Jahre sein neuer Dienstort. Am 3. September 1915 wurde er dann auch als Weichensteller förmlich geprüft. Seine Ernennung zum Hilfsweichensteller auf dem Stellwerk Govb (Grevenbroich Ost Vorbahnhof) erfolgte am 1. August 1917. Bereits zum 1. April 1918 erfolgte dann seine Übernahme als Beamter in den Staatsdienst. Als Bahnwärter bezog er fortan ein monatliches Gehalt in Höhe von 118,33 Mark. Das entsprach einem Tagesverdienst von 3,94 Mark.

Durch die Einführung des 8-Stunden Tages (56 Stundenwoche) wurde im Jahre 1918 ein Mehrbedarf von 1/2 P - Kraft (Personalkraft = Beamtendeutsch) im Bahnhof Oekoven erforderlich. Auf diese Ausschreibung hin bewarben sich die Eisenbahner Clemens und Durst. Nach dem erforderlichen Schriftwechsel wurde zu Gunsten von Clemens entschieden. Wörtlich heißt es darin: ".... Clemens jedoch ist fleißiger als Durst!" Die Beurteilung oblag dem Vorsteher Reutemacher der Bahnmeisterei 2 in Rommerskirchen.

Mit Schreiben vom 5. März 1919 wandte sich der Oekovener Bahnhofsvorsteher Panzer, an das Betriebsamt 2 in Köln mit folgendem Wortlaut: "Zufolge des starken Arbeitsverkehrs und das Einlegen von Arbeiterzügen, welche hier enden und beginnen ist es mir nicht möglich, mit den mir zur Verfügung stehenden Arbeitskräften die Arbeit zu bewältigen. Ich bitte den mir von der Bm 2 Rommerskirchen genehmigten 1/2 Kraft als ganze Kraft überweisen zu wollen." Vermutlich war es seinem Diensteifer bei der Eisenbahn zuzuschreiben, daß Johann Clemens daraufhin zum 1. April 1919 zum Bahnhof Oekoven versetzt wurde.

Hier wurde er zunächst als Bahnwärter eingesetzt. Am 27. Mai 1919 bestand er die örtliche Fahrdienstleiterprüfung für das Stellwerk "Ko" in Oekoven; welches sich zu dieser Zeit noch vor dem Stationsgebäude auf dem Bahnsteig befand. Die Räumlichkeiten sind auch noch 1997 vorhanden, wenngleich sie auch nicht mehr bahnseitig benutzt werden.

Da der Bahnhof Oekoven der Ortsklasse C (Rangordnung) zugeordnet war, wurde er zwei Monate später, am 26. Juni 1919, formlos für die C - Rate geprüft, was einer allgemeinen Verwendungstauglichkeit gleichkam. Diese Prüfung wird sich überwiegend auf dem Besoldungszettel in Form von Zuschlägen ausgewirkt haben. Am 16. März 1920 wurde er dann zum Weichenwärter ernannt. Damit bekam er einen planmäßigen Posten auf dem Stellwerk zugewiesen, wo er bisher nur andere Kollegen als Ablöser vertreten hatte. Nur wenige Tage später, nämlich am 1. April 1920, hörten die deutschen Länderbahnen auf zu existieren und schlossen sich zur Deutschen Reichsbahn zusammen. Auf Grund dieses wichtigen Ereignisses wurden die Besoldungen neu und einheitlich festgelegt. Da sich die wirtschaftlichen Ereignisse in den darauffolgenden vier Jahren überschlugen (Inflation und Regiezeit), sollen die Besoldungen während dieser Inflationszeit, soweit noch feststellbar, aufgeführt werden:

Stichtag Grundgehalt 50% Teuerungsrate jährlich

April 1920 5.700 RM 2.850 RM 8.550 RM Oktober 1921 16.500 RM 5.300 RM 21.800 RM Juli bis Sept. 1923 5.234.510 RM 301.895.708 RM 307.130.218 RM

Der wirtschaftliche Niedergang hatte 1923 seinen Tiefpunkt erreicht was das enorm gestiegene Gehalt auch deutlich zeigt. Sicherlich war das für die Menschen damals nicht einfach gewesen. Der verlorene Erste Weltkrieg, die nicht endenwollenden Reparationen, die Weltwirtschaftskrise... Die große Politik hatte immer etwas Neues auf Lager, so daß die Bevölkerung nicht zur Ruhe kam um sich etwas in geregelter Form aufzubauen und den Lebensstandard zu verbessern. Unser Johann Clemens lebte zu dieser Zeit bei seiner Schwester, da er erst spät heiratete. In dieser schweren Zeit erging es der Bevölkerung auf dem Lande besser als in der Stadt, wo man noch etwas leichter an die sonst knapp gewordenen Lebensmittel herankam.

Während der Ruhrbesetzung durch die Franzosen und Belgier, von der ja auch Oekoven betroffen war, galten neue und oftmals für die Bahnbedienstete unverständliche Regeln und Anweisungen. Diese Änderungen gingen sogar soweit, daß die Eisenbahner neu vereidigt wurden. Sie unterstanden nun der "Regie des Chemins de Fer territions Occupes - Direktion Exploitation". Es war also eine Direktion geschaffen worden, welche den Eisenbahnablauf im besetzten Gebiet zu überwachen hatte. Diese "Direktion" befand sich in "Aix la Chapelle" (Aachen). Über diese Stelle wurden auch alle dienstliche Belange des Bahnhofs Oekoven abgewickelt. Demzufolge wurden die Bediensteten auch in der französischen Währung besoldet! Johann Clemens erhielt:

Grundgehalt Ortszuschlag jährlich monatlich 283,- Frans 69,- Frans 352,- Frans 29.30 Frans

Im gesamten Deutschen Reich wurde die Geldentwertung bekämpft, welche am 1. Dezember 1923 durch die Einführung der Rentenmark ein Ende fand. Das bis dahin gültige Papiergeld wurde ungültig und eingetauscht. Für eine Billiarde Papiermark gab es eine Rentenmark. Nun war zwar die Inflation vorüber, aber die Zeit der Regie an Rhein und Ruhr war nicht viel besser. In dieser Zeit wurden viele Eisenbahnanschläge von deutschen Eisenbahnern verübt, um den reibungslosen Abtransport nach Frankreich zu stören.

Am 29. August 1924 bekam Johann Clemens die Anstellung auf Lebenszeit. Sein dienstlicher Aufstieg verlief nun ziemlich planmäßig. Am 28. August 1933 bestand er die Assistentenprüfung mit genügend und wurde am 1. November 1934 zum Reichsbahn - Sekretär ernannt. Er bekam noch am selben Tag einen Dienstposten im Bahnhof Büttgen (Strecke Mönchengladbach - Neuss) zugeteilt. Damit war auch seine 15jährige Dienstzeit in Oekoven beendet. Der Vollständigkeit halber soll noch erwähnt werden, daß er am 19. Mai 1939 zum Reichsbahn - Obersekretär befördert wurde. Kurze Zeit später, nämlich am 5. Oktober 1939, wurde er zum Bahnhof Nievenheim (Strecke Neuss - Köln) versetzt. Er wohnte aber weiterhin im Bahnhof Büttgen. Seine Verdienste betrugen nun:

Stichtag Grundgehalt (ohne Zulagen) (jährlich) (monatlich) 01.11.34 3.300 RM 275 RM 01.03.39 3.600 RM 300 RM

Als aktiver Eisenbahner erlebte er auch noch den Zweiten Weltkrieg, bevor er am 1. Februar 1946, zweiundsechszigjährig, in den Ruhestand versetzt wurde. Als Begründung wurde angegeben: ".... wegen Schwäche der körperlichen Kräfte zur Erfüllung Ihrer Amtspflichten dauernd unfähig." Sein letztes Gehalt betrug jährlich 4.952 RM was monatlich 328,64 RM entspricht. Am 1. September 1948 wurde seine Rente endgültig festgelegt und betrug 3.744 RM jährlich. (312 RM monatlich)

Am 31.03.1956 verstarb Johann Clemens im Alter von 73 Jahren und wurde in Oekoven beigesetzt.

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