Bahnhof Oekoven; Teil 4

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Der Bahnhof Oekoven und die Grubenanschlußbahn der Gewerkschaft Neurath, Teil 4/5

von Günter Krall, Mönchengladbach 1997 Postanschrift: Feld- und Werksbahn Museum e. V. z.Hd. Günter Krall, Zur Werksbahn 1, 41569 Rommerskirchen

Der Personenverkehr

Wollte man früher von Oekoven aus mit der Eisenbahn verreisen, kam man ohne umzusteigen nicht allzuweit. Das lag daran, daß hier nur Personenzüge der untersten Kategorie hielten. Solche Züge werden im allgemeinen Volksmund, auch heute noch, als Bummelzüge bezeichnet, obwohl sie die Amtssprache Nahverkehrszüge nannte. Man konnte durchgehend nur bis nach Köln oder Mönchengladbach beziehungsweise Kaldenkirchen fahren. Schnellfahrende Eilzüge oder sogar D-Züge hielten nie in Oekoven. Zumindest konnte sich Oekoven rühmen, wenigstens an der Strecke des zwischen 1951 und 1962 hier verkehrenden hochrangigen Renommierzug (F 163/164 "Rheingold") der DB zu liegen. Dennoch: Bis in die 30iger Jahre war Oekoven sogar Zugbildungsbahnhof für einzelne Personenzüge.

In den ersten Jahren entwickelte sich der Zugbetrieb sehr schnell. Dieser Entwicklung trug man durch den zweigleisigen Ausbau der Strecke Rechnung. Bis zum Ersten Weltkrieg hielten in Oekoven täglich zwischen sechs und acht Zugpaare. Sie führten alle die erste bis vierte Wagenklasse. Am 26.April 1913 setzt das Bürgermeisteramt zu Widdeshoven ein Schreiben an die Eisenbahndirektion Cöln mit der Bitte, den in Rommerskirchen endenden Triebwagen bis nach Oekoven durchzuführen. Der lange Aufenthalt im Nachbarbahnhof erlaube die Fahrt bis nach Oekoven und man erhoffe sich wegen der günstigen Zeit eine sehr gute Benutzung, durch die Bevölkerung für Fahrten nach Köln. Am 12. August 1913 teilte die Eisenbahndirektion mit, daß, dem Wunsche entsprochen wird und der Triebwagen zum Fahrplanwechsel ab dem 1. Oktober 1913 von Köln-Ehrenfeld aus bis nach Oekoven durchgeführt wird. Der Fahrplan war wie folgt:

T 1507 an Oekoven 8.20 Uhr, T 1508 ab Oekoven 8.46 Uhr.

Diese Zugverbindung bestand auch noch 1916. Nun begann beziehungsweise endete der Zug aber in Köln Hbf. Die geänderten Fahrzeiten sind dem nachfolgend abgebildeten Kursbuchauszug zu entnehmen. Das Zugpaar war aus den damals modernen, preußischen Speichertriebwagen (= Akkutriebwagen: elektrischer Triebwagen mit Batterieantrieb) gebildet. Im Februar 1909 war in Köln eine Batterieladestation eingerichtet worden. Dort waren drei Speichertriebwagen beheimatet, welche die Bezeichnung:

273/274 Cöln ab 1910 325/326 275/276 Cöln ab 1910 327/328 277/278 Cöln ab 1910 329/330

trugen. Alle Triebwagen waren zweiteilig. Die Kölner Ladestation für die Batterien, welche den Triebwagen eine Reichweite von 100 Kilometern ermöglichte, wurde aber schon während des Ersten Weltkrieges wieder stillgelegt. Damit endete im Fahrplan von 1917 auch diese interessante Personenzugleistung nach Oekoven. Anzumerken ist noch, daß die Akkumulatortriebwagen die Wagenklasse 2. bis 4. führten. So lautete auch die Angabe im Kursbuch. Die Arbeiter der Brikettfabrik Neurath waren nun wieder auf durchgehende Personenzüge angewiesen.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein Zugpaar von Mönchengladbach aus eingesetzt, welches in Oekoven wendete. Diese Verbindung war im Kursbuch von 1924 mit den Daten, Ankunft in Oekoven um 13.23 Uhr, Rückfahrt von dort um 14.41 Uhr, gekennzeichnet. Dieses Zugangebot bestand aber nur werktags. Seit 1925 änderten sich die Zeiten folgendermaßen: Ankunft 14.27 Uhr, Abfahrt 15.00 Uhr. Gleichzeitig wurde diese Rückleistung als Vorzug 597 von Köln nach Mönchengladbach erbracht. Der eigentliche "597" verkehrte dagegen erst 25 Minuten später. Durch diesen Vorzug ging man speziell auf den Schichtwechsel bei der Brikettfabik Neurath ein, so daß den dort Beschäftigten eine attraktive Verbindung zur Verfügung stand. Daß dieses Angebot auch tatsächlich angenommen wurde, geht aus dem Fahrplan von 1931 hervor. Darin ist dieses Zugpaar, abgesehen von der auf 14.23 Uhr vorverlegten Ankunftszeit, unverändert ausgeschrieben. Erst nach amtlichen Unterlagen ab 1939 fehlte diese Verbindung. Damit endete in Oekoven auch kein Personenzug mehr.

Erklärend sei noch zu den eingesetzten Wagenklassen auf dieser Strecke etwas gesagt. In den 20iger Jahren waren die Züge überwiegend mit der 2. bis 4. Wagenklasse ausgerüstet; die 1. Klasse fand man in den einfachen Personenzügen noch nicht. In den 30iger Jahren wurde dann die 4. Klasse abgeschafft, so daß sich bis in die 50iger Jahren die 2. und 3. Klasse durchsetzte. Erst ab 1956, nach Aufgabe der 3. Wagenklasse, wurde die noch heute gültige Umwandlung in 1. und 2. Wagenklasse vorgenommen. Bis in den 30iger Jahren hatte sich das Zugangebot nahezu verdoppelt. Es gab durchschnittlich 12 tägliche Zugverbindungen in beide Richtungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhöhte sich die Zahl der Zughalte in Oekoven drastisch. Diese Entwicklung bestand bis Anfang der 60iger Jahre unverändert und betrug täglich ca. 17 Zugpaare. Zwischen 1963 und 1964 sank das Angebot auf nur noch 10 Paare. Der Winterfahrplan 1964/65 brachte dann das abrupte Ende; ein sogenannter "Alibizug" hielt nämlich seit dem Sommerfahrplan 1965 in Oekoven. Kaum jemand hatte noch einen Nutzen davon, zumal die Verkehrszeiten äußerst ungünstig waren:

12.49 Uhr nach Köln und 17.01 Uhr nach Mönchengladbach

Am letzten Freitag im September 1965 um 17.01 Uhr war es dann soweit: Der letzte Personenzug hatte Oekoven verlassen. Damit hatte die Geschichte des schienengebundenen Personenverkehrs in Oekoven, nach nur 66 Jahren, ihr Ende gefunden.

Der Güterverkehr

Im Kapitel über die Grubenanschlußbahn wurde schon einiges über den Zugverkehr ausgesagt. An dieser Stelle soll auf die weiteren Güterzugverbindungen von und nach Oekoven genauer eingegangen werden. Als Abwicklungsgrundlage hierfür diente die Güterzugbildungsvorschrift der DB (Ausgabe Sommer 1962). Danach verkehrten folgende Güterzüge von und nach Oekoven:

Zug - Nr. Zuglauf Bemerkungen

Ne 5300 M'gladbach - Köln - Gereon 1) Dg 7771 Oekoven - Neuss Gbf 2) Dg 7777 Rommerskirchen - Hohenbudberg 3) Dg 7779 Oekoven - Hohenbudberg 4) Dg 7781 Oekoven - Neuss Gbf (Bedarfszug) Dg 7783 Oekoven - Neuss Gbf (Bedarfszug) Dg 7785 Oekoven - Neuss Gbf (Bedarfszug) Ng 9514 Grevenbroich - Rommerskirchen 5) Ng 9515 Köln - Nippes Gbf - Grevenbroich 5) Ng 9520 Neuss Gbf - Oekoven 6) Lgo 10369 Gremberg - Oekoven 7) Lgo 10456 Neuss Gbf - Oekoven Bedarfszug 8) Üb 15224 Grevenbroich - Oekoven Ub 15225 Oekoven - Grevenbroich Üb 15227 Oekoven - Grevenbroich 9) Üb 15230 Grevenbroich - Oekoven 10) Üb 15231 Oekoven - Grevenbroich


Bemerkungen: 1) Aufnahme von Wagen in Oekoven für Köln-Ehrenfeld als Schlußgruppe 2) 1. Gruppe Staubkohlenwagen für Stadtwerke Düsseldorf - Grafenberg, 2. Gruppe Neuss 3) bringt Wagen für Oekoven, nimmt Wagen für Hohenbudberg und Neuss mit 4) nimmt Kohlenstaubwagen an der Spitze für Düsseldorf - Derendorf, Düsseldorf - Reisholz und andere Düsseldorfer Bahnhöfe, sowie Sandwagen für Düsseldorf - Gerresheim mit 5) Wagen für Oekoven laufen an der Spitze 6) 1. Gruppe Staubkohlenwagen, 2. Gruppe leere Pendelwagen für Glassandbeförderung 7) bringt leere O - Wagen 8) bringt Staubkohlenwagen nach Bedarf und leere O - Wagen 9) 1. Gruppe Spitze Sandwagen für Düsseldorf, 2. Gruppe Neuss, 3. Gruppe Grevenbroich 10) einschließlich Staubkohlenwagen

Wie aus der Zusammenstellung hervorgeht, hielten hier von Naheilgüterzügen (Ne) bis hin zu Übergabezügen (Üb) die verschiedensten Zuggattungen, darunter auch Durchgangsgüterzüge (Dg), Nahgüterzüge (Ng) und Güterwagenleerzüge (Lgo). Bei allen Güterzügen war genau vorgeschrieben an welcher Stelle im Zug welche Wagengattungen eingestellt werden durften. Das nennt man im Amtsgebrauch Wagengruppen. Aus den einschlägigen Dienstvorschriften geht hervor, ob zum Beispiel ein Zug die Wagen für Oekoven an der Spitze, also direkt hinter der Lok, oder am Schluß des Zuges zu befördern hatte. Auch war festgelegt, welcher Zug bestimmte Wagen zu befördern hatte. So brachten zum Beispiel die beiden aufgeführten Lgo leere Wagen der Gruppe O (offene Wagen) nach Oekoven. Andere Züge waren dafür vorgesehen, die für Oekoven so typischen Kohlenstaubwagen zu übernehmen oder in einem fest eingerichteten Pendelverkehr die Sandwagen nach Düsseldorf - Gerresheim abzufahren.

Natürlich wurden die in Oekoven von der Brikettfabrik übergehenden Güterwagen nicht nur in die nähere Umgebung verschickt. So wurden in den umliegenden großen Rangierbahnhöfen Neuss Gbf, Hohenbudberg bei Krefeld, Köln - Nippes Gbf und Gremberg die Wagen von und nach Oekoven auf weitere Güterzüge in alle Richtungen umgesetzt oder gesammelt. Auch wurden sogenannte Ganzzüge abgefertigt, bei denen die Güterwagen ohne rangiermäßige Unterwegsbehandlung bis zu ihrem Zielort zusammenblieben. Typische Ganzzüge, beladen mit Brikett, gab es zum Beispiel in den 30iger Jahren, die am späten Abend von der Brikettfabrik zur Reichsbahn überstellt wurden, um noch in der Nacht nach Hoya (bei Bremen) weiterbefördert zu werden. Bis zur Abfahrt des Zuges herrschte dann im Bahnhof ein emsiges Treiben, um die hierfür erforderlichen Papiere rechtzeitig zu erstellen.

Damit läßt sich auch leicht erklären, warum Oekoven von Lokomotiven der verschiedensten Heimatdienststellen angefahren wurde. In der Anfangszeit, also um die Jahrhundertwende , waren es die preußischen Gattungen G3 und G7, die in Oekoven den Zugverkehr bewältigt haben. Es handelte sich um drei¬ beziehungsweise vierachsige Schlepptenderloks mit einer Leistung von 400 bis 700 PS. In der Zeit um den Ersten Weltkrieg kamen dann stärkere Heißdampfloks zum Einsatz. Sie gehörten der preußischen Gattung G 8 und G 8.1 an und leisteten 1100 beziehungsweise 1300 PS. Nach dem Kriege, Anfang der 20iger Jahre, tauchten dann die neu entwickelten G 8.2 auf. Mit ihrer vornliegenden Laufachse war sie für 65 km/h zugelassen, während die bisherigen Loks nur für 45 bis 50 km/h Höchstgeschwindigkeit zugelassen waren. Im Zweiten Weltkrieg wurden die umliegenden Dienststellen mit der Baureihe 50 ausgerüstet, die nun schon für 80 km/h zugelassen waren und über eine Leistung von 1600 PS verfügten.

Wagenladungen, die für den Tarifpunkt "Bahnhof Oekoven" direkt bestimmt waren, gab es ein Ladegleis mit einer Seiten- und Kopframpe. Hier konnten die verschiedensten Güterwagen be- und entladen werden. Weiterhin war eine Gleiswaage mit einer Wiegefähigkeit von 50 Tonnen vorhanden.

Eine weitere betriebliche Besonderheit im Güterverkehr stand alljährlich im Herbst an. Während der Zuckerrübenernte trat nämlich ein sogenannter "Rübenfahrplan" in Kraft. Er nahm in besonderem Maße Rücksicht auf die drastisch gestiegene Zahl spezieller Bedarfszüge für den Abtransport der Rüben. Dann herrschte im Bahnhof Oekoven Hochbetrieb. Personal, Lokomotiven und Güterwaggons wurden natürlich besonders gefordert. Heute läßt sich nur noch erahnen, welche zusätzlichen Leistungen dabei erbracht werden mußten. Während unter anderen zwei Nahgüterzüge die leeren Wagen für den Rübenverkehr auf verschiedene Bahnhöfe verteilten, wurden die beladenen Wagen mit Übergabezügen nach Grevenbroich abgefahren um dort einer der nächsten Zuckerfabriken überstellt zu werden.

Zug- Nr. Zuglauf Bemerkungen

Ng 9506 Grevenbroich - Rommerskirchen 1) Ng 9507 Rommerskirchen - Neuss Gbf 1) Üb 15220 Grevenbroich - Oekoven Üb 15221 Oekoven - Grevenbroich Üb 15222 Grevenbroich - Oekoven 2) Üb 15223 Oekoven - Grevenbroich 2) Üb 15228 Oekoven - Grevenbroich Üb 15233 Oekoven - Grevenbroich Üb 15234 Grevenbroich - Oekoven Üb 15236 Grevenbroich - Oekoven


Bemerkungen: 1) Schlußgruppe für Oekoven 2) nur Sonn- und Feiertags

Diesen Dienst verrichteten oft die 55iger (pr. G 8.1) des Bahnbetriebwerkes Neuss, die sonst überwiegend zuletzt nur im Rangierdienst eingesetzt wurden. Aber zur Erntezeit wurde alles benötigt was nur Räder hatte, so daß auch die betagten Maschinen wieder zu Streckendienstehren kamen.

Heutzutage werden die Rüben im Raum Oekoven, wie so vielerorts, über die Straße abgefahren. Es ist kaum zu glauben, daß der Transport derartiger Massengüter, über die sowieso schon überlasteten Straßen als Fortschritt bezeichnet werden kann. So ändern sich die Zeiten. Für den Bahnhof Oekoven bedeutete diese Maßnahme dagegen einen weiteren Schritt zur unaufhaltbar fortschreitenden Auflösung.


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